Die Aussicht auf Geisterspiele hat im Profisport Frust und Existenzängste ausgelöst. „Es kommt der Gedanke auf, dass der Profisport ein Symbol ist, um der Bevölkerung den Ernst der Lage zu verdeutlichen, und der Profisport ausbaden muss, was er nicht selbst verschuldet hat“, kritisierte der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga, Stefan Holz, am Mittwoch den Beschluss des Bundes und der Länder vom Vortag.
Demnach sind wegen der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus vom 28. Dezember an bei allen Großveranstaltungen - einschließlich des Sports - keine Zuschauer mehr zugelassen. „Aus infektiologischer Sicht spricht doch nichts gegen 2G plus mit Test, FFP2-Maske oder Booster-Impfung mit Test, um ein paar Hundert Leute in die Halle zu lassen“, sagte Holz der dpa.
Schon jetzt haben die fast zwei Jahre Corona-Krise den Top-Vereinen in den wichtigsten Mannschaftssportarten in Deutschland erhebliche Mindereinnahmen beschert. Die Hoffnungen auf Besserung sind durch das Aufkommen der neuen Virusvariante vorerst vorbei. Vor allem im Basketball, Eishockey und Handball, in denen die Ticketeinnahmen einen wesentlich größeren Anteil am Budget der Clubs als im Fußball bilden, wachsen die Sorgen bis zur Verzweiflung.
Was kommt nach der nächsten Corona-Variante? Und dann geht es ewig so weiter? Das ist doch keine Perspektive
Stefan Holz
„Was kommt nach der nächsten Corona-Variante? Und dann geht es ewig so weiter? Das ist doch keine Perspektive“, sagte Holz. Die finanzielle Situation für die Basketballvereine ist seiner Aussage nach „total schwierig, schlichtweg kritisch“. Nicht jeder Club werde das überleben, warnte er.
Geschäftsführer Nils Mittmann vom Basketball-Bundesligisten Löwen Braunschweig teilte diese Einschätzung. „Das hat extreme Auswirkungen und ist für alle außer dem Fußball existenzbedrohend“, sagte er der „Braunschweiger Zeitung“.
Doch auch im Profifußball greifen die Sorgen durch die Aussicht auf leere Ränge um sich. „Die Auswirkungen sind dramatisch“, zitierte sportbuzzer.de Mehrheitsgesellschafter Martin Kind vom Zweitligisten Hannover 96. Schon zuletzt hatten die Niedersachsen beim letzten Punktspiel des Jahres am Sonntag gegen Werder Bremen nur 5000 Zuschauer ins Stadion lassen dürfen. „5000 sind auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Kind. Es bleibe sowieso nichts übrig.
Der scheidende Geschäftsführer des Bundesligisten 1. FC Köln und künftige Vorstandschef des VfB Stuttgart, Alexander Wehrle, rechnete vor: „Jedes Geisterspiel kostet uns 1,8 Millionen Euro.“ In den bisherigen neun Heimspielen dieser Saison hatten insgesamt 286 000 Zuschauer die Spiele des Bundesliga-Achten besucht.
Sofort betroffen von den Beschlüssen sind neben der Basketball-Bundesliga auch die Deutsche Eishockey Liga. Auch im Eishockey sind Spiele über die Festtage und den Jahreswechsel angesetzt. Die Fußball-Bundesliga macht hingegen noch bis zum 7. Januar, die 2. Bundesliga und die 3. Liga bis zum 14. Januar Pause.
Die Handball-Bundesliga (HBL) der Männer geht nach dem 28. Dezember in die EM-Pause bis Anfang Februar. Dass sich bis dahin das Thema Geisterspiele erledigt hat, erscheint nach derzeitigem Stand und den Prognosen der Experten aber höchst unwahrscheinlich.
Die beim Bund-Länder-Gipfel vereinbarte Fortsetzung des Programms Corona-Hilfen Profi-Sport über das Jahresende hinaus ist da nur ein schwacher Trost. Das sei gut und wichtig, meinte zwar Mittmann von den Braunschweiger Basketballern. Dennoch: „Wenn wir keine Fans haben, können wir auch die Verträge mit den Sponsoren nicht erfüllen und müssen mit Rückforderungen rechnen, das bringt unsere Branche in eine extreme Schieflage.“
Kaweh Niroomand, Manager des Volleyball-Meisters BR Volleys, warnte vor einem generellen Verbot des Sporttreibens. Der 69-Jährige befürchtet sonst einen weiteren Mitgliederschwund der Vereine, was eine weitere Schwächung der Gesellschaft nach sich ziehen würde. „Nirgendwo ist die Schule der Demokratie besser aufgestellt als in den Vereinen“, sagte der frühere Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) der dpa.
Neben den ökonomischen Hilfen müssten auch in den sozialen Segmenten Hebel angesetzt werden. „Die Verbindung zwischen Fan oder Unterstützer und dem jeweiligen Club hat schon jetzt gelitten und wird weiter leiden“, sagte Niroomand. Er forderte ein „Konjunkturprogramm Sport“. Niroomand hofft, dass die Maßnahmen nur kurzfristig gelten. „Auf keinen Fall dürfen sie bis zum Ende der Saison dauern.“